Freitag, 17. November 2023

Ahrtal-Katastrophe: Feuerwehrchef Frank Linnarz aus Altenahr berichtete 50 Einsatzkräften von Flut 2021 

 

20231117 1 web

Erzählte aus erster Hand: Frank Linnarz war bei der Flutkatastrophe Einsatzleiter in Altenahr. Fotos: smü/md/rg

 

Kirchehrenbach     Ganz nüchtern war die Überschrift, die Frank Linnarz an die Leinwand warf: Die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal 14./15. Juli 2021. Der Wehrleiter der Verwaltungsgemeinde Altenahr war am Freitag zu Gast in Kirchehrenbach und berichtete über seinen größten (und längsten) Einsatz und gleichzeitig über ein Ereignis, das sich in seiner Dimension mit fast keiner zweiten Katastrophe in den letzten Jahrzehnten in Deutschland vergleichen lässt.

Zu Beginn begrüßte Kommandant Sebastian Müller die 51 Gäste im Lehrsaal des Feuerwehrhauses. Er dankte dem Referenten für die Möglichkeit, hautnah einen Einblick in diese riesige Schadenslage zu gewinnen. „Wir lernen nur dazu, wenn wir uns austauschen und Geschehnisse aufarbeiten“, erklärte er den Hintergrund des Infoabends. „Und dieses Ereignis hat uns vor Augen geführt, in welcher Dimension Naturkatastrophen zuschlagen können, ganz zu schweigen von den Auswirkungen auf die kommunalen Feuerwehren bis heute“, so der Feuerwehrchef.

Kein Überblick möglich, keine Kommunikation

So berichtete Linnarz von der Ausgangslage in jenen Julitagen. Den Ankündigungen des Deutschen Wetterdienstes, die eigenen Vorbereitungen im Zuständigkeitsbereich und dem Verlauf des Einsatzes bei steigendem Pegel der Ahr. Fast „normal“ ging es damals los. Auch die Prognosen ließen auf ein Hochwasser-Ereignis im Ahrtal wie fünf Jahre zuvor vermuten. Doch dann ging alles ganz schnell. Das erklärte der Gast aus Rheinland-Pfalz u.a. beispielhaft an einem Wohnhaus, dessen 1. OG innerhalb von vier Minuten überflutet war. Menschenrettungen über Feuerwehrleitern und mit Radladern, Stromausfall, keine Erreichbarkeit mehr über Straßen und Wege sowie der Ausfall von Digitalfunk und Mobilfunknetz, Menschen, die auf abgestellten Löschfahrzeugen mitten im Hochwasser ausharrten – ein unbeschreibliches Szenario für Einsatzkräfte.

Besonders bedrückend: Neben all dem Leid der Bürgerinnen und Bürger sind Feuerwehrleute ums Leben gekommen, alleine in der VG Altenahr fünf Feuerwehrhäuser und mehrere Fahrzeuge zerstört worden. Im Prinzip gab war wenig bis keine Infrastruktur mehr in den einzelnen Ortschaften. Die Aufbauarbeit läuft bis zum heutigen Tag.

Mit viel Beifall des Publikums durfte Kommandant Müller seinen Amtskollegen mit einem kleinen Geschenk verabschieden. 

51 Zuhörer, Ergänzung von Polizeihubschrauberstaffel

Gespannt folgten 24 Kirchehrenbacher und knapp 30 weitere Ehrenamtliche aus 13 Feuerwehren des Landkreises und darüber hinaus dem eineinhalbstündigen Vortrag. Unter den Gästen war auch Polizeihauptkommissar Michael Waldmüller von der bayerischen Polizeihubschrauberstaffel, der den Vortrag mit eigenen Erfahrungen – zwei Polizeihubschrauber waren damals ebenfalls im Ahrtal – ergänzte. Außerdem ging er auf Aufgaben und Arbeit der „fliegenden Polizei“ in Verbindung mit anderen Behörden und Organisationen ein.

 

20231117 2 web

Hörten gebannt zu: Neben den Kirchehrenbacher Feuerwehrleuten waren aus vielen anderen Feuerwehren Gäste anwesend.

 

 

Info:

Die Verwaltungsgemeinde (VG) Altenahr liegt ca. 35 km südwestlich der alten Bundeshauptstadt Bonn mitten im Landkreis Ahrweiler. In den 12 Ortsgemeinden leben etwas mehr als 10.000 Einwohner. Die Region ist vom Weinbau geprägt. Für die Sicherheit der Bevölkerung sorgen in der VG 16 Feuerwehren mit rund 400 Ehrenamtlichen. Linnarz ist ihr Wehrleiter und steht den Wehrführern (Kommandanten) vor – in Rheinland-Pfalz eine andere gesetzliche Regelung als in Bayern.

Insgesamt forderte die Flutkatastrophe im Juli vor zwei Jahren 135 Menschenleben. Es gab entlang des Flusses rund 9.000 beschädigte/zerstörte Gebäude. Dutzende Kilometer Straßen, Wege und Brücken wurden beschädigt oder zerstört. Auch die Bahnlinie existierte überwiegend nicht mehr.

Die materiellen Schäden wurden auf über 40 Milliarden Euro geschätzt. Das Unwetter hinterließ die bislang größten Zerstörungen durch eine Naturkatastrophe in Deutschland. Gemessen an der Opferzahl war die Nacht vom 14./15. Juli 2021 die schwerste Naturkatastrophe in Deutschland seit der Sturmflut 1962 in Hamburg (Auszug wikipedia + Landesregierung RLP).

 

20231117 3 web

Noch nicht der Höchststand. Die Situation vor einem Hotel/Gasthaus.

 

20231117 4 web

Zum dritten Mal in Kirchehrenbach zu Gast, dieses Mal aber mit dem Auto: Michael Waldmüller von der Polizeihubschrauberstaffel.